Nach sechs Wochen Warten und unserem ersten Abenteuer ohne unseren Bus bekommen wir schließlich doch noch unseren Mitsu am Hafen von Baltimore vom Verschiffungs- Unternehmen ausgehändigt. Durch die 90 Tage Regelung des ESTA bleiben uns nun noch sechs Wochen um die USA von Osten nach Westen zu durchqueren und in Kalifornien die Grenze zu Mexiko zu erreichen. Die ersten Tage fahren wir entlang der Appalachen Richtung Great Smoky Mountains Nationalpark. Dort verbringen wir zwei Tage und machen eine sehr intensive Begegnung mit einem pelzigen Artgenossen. Unseren Erfahrungsbericht zum Great Smoky Mountains Nationalpark könnt ihr hier nachlesen.
Nach einer langen Fahrtetappe quer durch Georgia erreichen wir Tallahasse in Nordflorida. Von Georgia, das den so hübsch klingenden Zusatz „Peach State“ trägt, sehen wir leider nicht mehr als einen Walmart Parkplatz, auf den wir uns über Nacht hinstellen. Das Gefühl zu wenig von manchen Regionen gesehen zu haben wird uns in den USA noch ein paar mal überkommen. Rückblickend sind wir jedoch froh, dass unsere Zeit in den USA begrenzt war. Denn das was danach kam, stellte sich als mindestens genauso schön und noch viel aufregender heraus.
In Tallahasse angekommen, nehmen wir die Küstenstraße mit der Nummer 98, die in einem sehr schönen Streckenverlauf nach Pensacola führt. Den Nachmittag verbringen wir am Strand und genießen die Sonne. Schwer zu glauben, dass wir zwei Wochen zuvor im Shenandoah Nationalpark noch bitterlich gefroren haben und das abendliche Lagerfeuer nicht nur schön, sondern tatsächlich notwendig war, um nicht schon völlig durchgefroren ins Zelt kriechen zu müssen.
Die Camping Möglichkeiten an der Küste Nordfloridas sind begrenzt, weswegen wir uns bald weiter auf den Weg nach New Orleans machen. Strand werden wir noch genug an der Baja California haben... New Orleans – eine Stadt, die uns schwer begeistert. Nicht nur dass sie architektonisch sehr schön ist, die äußerst (aus)gelassene Atmosphäre, die hier herrscht, trägt einen großen Teil zu ihrem Charme bei. Niemand ist hier in Eile, alle sind unglaublich relaxt und von überall tönt Livemusik. Die Häuser sind aus Holz und besitzen überdachte Veranden und umlaufende Balkone an die sich die Menschen lehnen, um das abendliche Spektakel auf der Straße zu verfolgen. Die Holzdielen knarzen, wenn man die Bars und Geschäfte betritt und an den Decken wummern die Ventilatoren. Klimaanlagen gibt es hier nicht. Es ist heiß, die Luft ist schwer und drückend und die Stimmung am Abend in den Straßen ausgelassen. Diese Stadt verkörpert die wilde Seite der Südstaaten in einer Art und Weise wie ich sie nur aus historischen Filmen kenne. Es fühlt sich an, als wäre die Zeit hier stehen geblieben, als wäre es nie anders gewesen.
Wir verbringen noch ein paar Tage etwas weiter nördlich am Mississippi-Delta, wo wir auf einer Wiese am Waldrand campen und das Leben im Van genießen. Wir grillen ausgiebig, räumen den Bus um und buchen eine Bootstour durch die sumpfigen Ausläufer des Mississippi, bei der wir aus nächster Nähe Alligatoren, Schildkröten und Vögel beobachten.
Unser nächstes Ziel ist Bolivar Island (Texas). Nicht weil diese vorgelagerte Halbinsel an sich außergewöhnlich schön ist – nein, eigentlich suchen wir nur nach einem netten Plätzchen zum wildcampen, und hier darf man mit dem Bus direkt auf dem Strand stehen. Tatsächlich entpuppt sich Bolivar Island als eines unserer Highlights bis dahin. Abends mit einem kühlen Bier in der Hand vor dem Van zu sitzen und auf das Meer zu schauen, die Füße dabei im Sand vergraben, ist einfach unglaublich schön und entspannend. Und morgens, wenn man den Vorhang zur Seite schiebt, ist das erste was man sieht Sand und das weite weite Meer – ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit. So haben wir uns das zu Hause in Stuttgart immer ausgemalt.
Ein paar Tage später nehmen wir von Bolivar Island die kostenlose Autofähre nach Galveston und sparen uns so ein paar Kilometer. Auf der Fahrt werden wir von Delfinen begleitet, die im Spurwasser der Fähre ihren Spaß haben. Das nächste Ziel heißt Austin, die Hauptstadt von Texas. Kurz bevor wir unseren Mitsu auf dem Parkplatz abstellen, um mit dem öffentlichen Bus ins Stadtzentrum zu fahren, bemerken wir, dass etwas mit unserem Kühlschrank nicht stimmt: Die Außentemperatur entspricht in etwa der Innentemperatur. Außerdem hat sich unsere Zweitbatterie, wenn man der eingebauten Anzeige glaubt, nicht so gut aufgeladen, wie sie eigentlich sollte. Egal, darum müssen wir uns später kümmern, wir sind schon spät dran für unsere Erkundungstour. Wir fahren Richtung South Congress, einem angesagten Viertel nicht allzu weit von Downtown. Hier verbringen wir ein paar Stunden mit schlendern, Eis essen und Abendessen an einem der vielen Foodtrucks. Austin gefällt uns mit seinem außergewöhnlich entspannten Hippie Flair sehr gut. Mit seinen coolen Cafés, Shops und Foodtrucks bietet es alle Vorzüge einer Hauptstadt ohne sich nach hektischer Großstadt anzufühlen – zumindest ist das im Bereich South Congress so.
Nach dem Abendessen gehts wieder zurück zu unserem Van und wir klemmen uns nochmal für ein paar Stunden bis zur Schlafenszeit hinters Lenkrad und fahren weiter durch Texas. Das Kühlschrank-Problem lösen wir kurzerhand mit einem 10 kg Sack Eiswürfeln, die gibts in den USA praktischerweise überall zu kaufen, teilweise sogar per Knopfdruck am Automaten. Netter Nebeneffekt: wir können uns mit den Eiswürfeln, die nicht mehr in unseren Kühlschrank passen, die Birne kühlen. Damit uns genügend Zeit für die Nationalparks bleibt, müssen wir auch Texas im Schnellprogramm durchfahren. Nächster nennenswerter Stop sind die Carlsbad Caverns, ein riesiger Verbund von Tropfsteinhöhlen, der bis heute noch nicht komplett erschlossen und erforscht ist. Am nächsten Tag geht es zu dem von dort nicht weit entfernten White Sands National Monument. Die surreal anmutenden Dünen aus weißem, feinen Gipsstaub sehen nicht nur ziemlich cool aus, von ihnen lässt es sich außerdem wunderbar herunterrutschen und auch sonst stellen sie sich als außergewöhnliche Spaßquelle heraus. Am Nachmittag fahren wir weiter nach Albuquerque, in der Hoffnung in einem Laden für Campingzubehör ein Teil zu kaufen, dass uns der Lösung unseres Kühlschrank-Problems näher bringt.. Leider erfolglos.. Die Nacht verbringen wir auf dem Parkplatz eines Casinos, um am Morgen die Bisti Badlands anzusteuern. Es beginnt gerade zu dämmern, als wir in eine Welt mit faszinierend-seltsamen Steinformationen rechts und links des Highway eintauchen. Mit Abstufungen von grau, grellem gelb und grün bewegt sich die Farbskale hier eher im ungesunden Bereich und wachsen tut hier auch nicht allzu viel. Dennoch, diese ungewöhnliche und befremdliche Landschaft fasziniert mich zutiefst. Als dann noch die untergehende Sonne den Himmel dramatisch in diverse rot-gelb-lila Töne taucht, bin ich nur noch am Staunen. Ich fühle mich wie ein Kind, dass dem Weihnachtsmann begegnet und zwar so richtig in Echt. Dass unsere Scheinwerfer, die wir mittlerweile angemacht haben, plötzlich den Geist aufgeben und auch das Autoradio auf wundersame Weise verstummt, lässt mich völlig unbeeindruckt. Ich bin einfach nur Hin und Weg von dem Anblick der sich mir bietet. Aber vorerst kein Grund zur Sorge, mit der freundlichen Unterstützung von etwas etwas Rest-Tageslicht erreichen wir schließlich unbeschadet den Parkplatz der Bisti Badlands, den wir uns als Nachtlager ausgesucht haben. Am nächsten Morgen durchstreifen wir das „Ödland“ und suchen uns unseren Weg zwischen den skurrilen von Wind und Wasser geformten Steinformationen – einen vorgegebenen Wanderweg gibt es hier nicht. Finden wir gut!
In der nächstgelegenen größeren Stadt Farmington finden wir eine Werkstatt, die sich noch am selben Tag die Elektrik unseres Autos anschaut und, wie wir zunächst annehmen, das Problem behebt. Der schwankende Ladestand unserer Zweitbatterie und damit die unzuverlässige Leistung unseres Kühlschranks bleibt, so stellt sich bald heraus, jedoch weiterhin ein ungeliebter Reise-Begleiter. Die nächsten Wochen wird also fleißig die Strom-Spannung gemessen, Kabel werden überprüft und ausgetauscht, aber alles scheint in Ordnung zu sein. Mit der Zeit arbeitet sich Inspektor Richard zum Experten für Auto-Verkabelung hoch und spürt, als wir schon zu der festen Überzeugung gekommen waren, den Fall damit schließen zu müssen, dass der Kühlschrank kaputt ist, einen zwielichtigen Massepunkt an der Karosserie des Mitsu auf. Wer jetzt nicht weiß was das mit dem Massepunkt soll, dem geht es wie mir vor Antritt unserer Reise. Was für ein Glück, dass Reisen bildet :)
Nach Farmington geht es weiter zum Mesa Verde Nationalpark. Hier finden wir einen extrem schönen Platz zum Wildcampen mit Blick direkt auf die Plateau-Berge von Mesa Verde. Und da bleiben wir dann auch ein paar Tage. Während Richard sich mit Plus- und Minuspol beschäftigt, backe ich Kuchen.. klassische Rollenverteilung olé!
Um Mesa Verde anzuschauen nehmen wir uns etwa 1,5 Tage – für uns mehr als ausreichend. Morgens vor der Weiterfahrt fahren wir nochmal schnell in den Nationalpark rein, um den kostenlosen Duschen vor Ort einen Besuch abzustatten. Schon geht es weiter zum Valley of the gods. Das Tal der Götter hat seinen Namen definitiv verdient und wir entschließen uns, die Nacht vor oder besser gesagt in dieser spektakulären Kulisse zu verbringen und den Sonnenuntergang, der die roten Steinformationen glühen lässt, mit einem kühlen Getränk (Danke Eiswürfelautomat) zu genießen.
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